Stadtentwicklung braucht Teilhabe
Die Auseinandersetzungen zur sogenannten Neugestaltung der Frankfurter Straße am Historischen Rathaus haben den Fokus auf einen grundsätzlichen Mangel bei derzeitigen Entwicklungen unserer Stadt gelenkt. Isolierte Maßnahmen bleiben bei Bürgerinnen und Bürgen unverstanden. Sie folgen keinem Konzept, kosten viel Geld und schaffen ohne Not vollendete Tatsachen, die auf perspektivische Planungen kontraproduktiv wirken.
Niemand baut eine Mauer auf ein Grundstück,
um erst danach einen Architekten zu beauftragen,
damit er ein Haus daraus macht.
Die Lenkung von Verkehrsströmen in Groß-Gerau braucht dringend ein ganzheitliches Verkehrskonzept, das seit vielen Jahren überfällig ist und immer wieder verschoben wurde. Die schon im Rahmen des Stadtentwicklungskonzepts „Groß-Gerau 2020“ im Jahre 2010 erhobenen Verkehrszahlen sind längst überholt und bedürfen einer umgehenden Aktualisierung. An der alsbaldigen Planung und Umsetzung müssen wir dringend arbeiten.
Ein Vorschlag zur Güte: Drei Punkte vor dem Umbau
Der im Eifer des Wahlkampfs für die Frankfurter Straße beschlossene Wechsel vom Asphalt zum Pflaster ändert nichts daran, dass die Neugestaltung einen derzeit verkehrsberuhigten Bereich für den fließenden Verkehr optimieren soll. Doch wollen wir wirklich mehr Durchgangsverkehr in der Stadt? Und was passiert nach dem Umbau für 350.000 Euro, wenn ein künftiges Mobilitätskonzept (wahrscheinlich) eine Herausnahme des Durchgangsverkehrs empfiehlt? Bauen wir dann etwa für noch mehr Geld wieder um?
Richtig ist, dass die verkehrsrechtliche Situation im fraglichen Abschnitt unklar ist und einer eindeutigen Regelung bedarf. Richtig ist aber auch, dass weder die Verkehrswacht, noch externe Experten für Verkehrsrecht in der Sache befragt worden sind. Denn auch andere Lösungen waren denkbar. Nun hat die Stadtverordnetenversammlung rechtskräftig entschieden, doch niemand zwingt uns, sofort mit den Bauarbeiten zu beginnen.
Jetzt brauchen wir keinen eiligen Umbau, sondern eine vernünftige Lösung, die rechtliche Bedenken der einen Seite respektiert und andererseits verhindert, dass wir sehr viel Geld in einen Irrweg investieren. Veränderungen sind ohne die Einbettung in ein ganzheitliches Mobilitätskonzept für mich nicht denkbar. Doch auch dessen vorschnelle Beauftragung wird das Verkehrsproblem in unserer Stadt nicht lösen, wenn nicht vorher der tatsächliche Verkehr neu erfasst und Bürger/innen befragt worden sind.
Mit Expert/innen und Sachverstand in die Zukunft
Derzeit ist vieles in Bewegung. Es geht um die Zukunft unserer Städte und wie wir darin leben wollen. Die Fragen liegen auf dem Tisch: Wie erhalten wir die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt? Wie organisieren wir Lösungen in den Straßen, ohne das am Verkehr teilnehmende Gruppen benachteiligt oder bevorzugt werden? Wie steht es um die Nahversorgung und den Einzelhandel und welche Rolle wird Groß-Gerau künftig als Einkaufs- und Gewerbestandort spielen?
Hochschulen entwickeln zukunftsweisende Projekte. Forschende arbeiten an nachhaltigen Lösungen für die die Städte von Morgen. Verbände unterstützen Kommunen mit Initiativen zur nachhaltigen Stadtentwicklung. Viele neue Ansätze sind schon heute rechtskonform machbar, wie zum Beispiel gleichberechtigte Verkehrsräume. Davon können wir in Groß-Gerau lernen und wir können es machen.
In den vergangenen Jahren hat unter anderem die Industrie- und Handelskammer Rhein-Main-Neckar eine Reihe von Angeboten zusammengestellt, die den Städten und Gemeinden der Region Orientierungshilfen bei der Innenstadtentwicklung angeboten haben. Einige Projekte wurden auch in Groß-Gerau begonnen, aber bisher nicht weiter verfolgt. Ich will, dass wir endlich verfügbares Expertenwissen nutzen.
Stadtplanung mit Weitblick und Umsicht
Mit der Erstellung eines Mobilitätskonzepts für die Kreisstadt müssen wir auch klimatische Problemlagen erkennen und in die Planungen mit einbeziehen. Der Marktplatz in Groß-Gerau ist eine große versiegelte Fläche, über deren künftige Nutzung wir neu nachdenken müssen.
Die Mobilität der Zukunft planen, zusammen mit den Anpassungen an den Klimawandel. Damit Groß-Gerau lebenswert und die Innenstadt ein attraktiver Ort für den Einzelhandel und uns alle bleibt.
Es gilt dabei, Verkehr und Klima gemeinsam zu denken. Dabei kommen mit einsamen Beschlüssen nicht weiter. Anlieger, Betroffene, Bürgerinnen und Bürger müssen konsequent in die Entscheidungsfindung mit einbezogen werden.