Groß-Gerau Online – selbstverständlich
Wir alle erledigen die organisatorischen Dinge des Lebens heute mehr denn je bequem am Heimcomputer oder mit Mobilgeräten. Für viele von uns ist das so selbstverständlich, dass wir uns den Behördengang wegen eines Formulars kaum noch vorstellen können. Ein Online-Zugang zum Amt wäre rund um die Uhr verfügbar und könnte von Bürgerinnen und Bürgern flexibel genutzt werden.
Tatsächlich hat der Gesetzgeber den Zugang zu Leistungen der öffentlichen Verwaltung im Online-Zugangsgesetz bereits bis zum Ende des Jahres 2022 vorgeschrieben. Die Praxis zeigt jedoch, dass auch im Groß-Gerauer Stadthaus großer Nachholbedarf besteht. Hier könnten wir deutlich weiter sein.
Denn angeregt durch den damaligen Bürgermeister Stefan Sauer wurde schon 2017 von der Wirtschaftsförderung der Kreisstadt gemeinsam mit dem Gewerbeverein ein vielversprechendes Online-Projekt unter dem Arbeitstitel „GG-App“ entwickelt und ein Konzept (basierend auf einer Website) zur Gewerbeschau 2018 vorgestellt. Die mögliche Realisierung wurde jedoch mit dem Amtsantritt von Bürgermeister Walther überraschend beendet. Ich habe das damals wie heute für eine grobe Fehlentscheidung gehalten, die den digitalen Fortschritt in Groß-Gerau für Jahre ausgebremst hat.
Online Dienstleistungen können Abläufe vereinfachen, sind in der Regel barrierefrei und ersparen Anreise und Wartezeiten auf dem Amt. Benachrichtigungen über den Bearbeitungsstatus können dazu beitragen, die Transparenz zu erhöhen und den Bürgerinnen und Bürgern eine positive Rückmeldung zu geben. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass der Online-Zugang zu Behördendiensten auch Herausforderungen mit sich bringt, wie z.B. die Notwendigkeit, die digitale Kompetenz der Nutzenden zu verbessern und sicherzustellen, dass alle Bürgerinnen und Bürger Zugang zu zuverlässigem Internet haben.
Groß-Gerau Offline – ebenso
Heribert Prantl schrieb einmal zum Thema in der Süddeutschen Zeitung: „Manche Menschen fühlen sich plötzlich wie Analphabeten. Es ergeht ihnen in der digitalen Gesellschaft wie ihrem Vierbeiner vor der Metzgerei. Dort hängt das Schild: ‚Wir müssen draußen bleiben.‘ Digitalfreaks wiegeln ab und weisen darauf hin, dass ‚dieses Problem‘ in zehn oder fünfzehn Jahren ausgestorben sein wird. Wer so redet, verhöhnt die Alten.“
Trotz aller, schon berufsbedingter, Überzeugung von der Notwendigkeit einer raschen Einführung digitaler Dienstleistungen trete ich unmissverständlich für das ‚Recht auf analoges Leben‘ ein.
Mehr als die Hälfte der über 65-Jährigen nutzt kein Smartphone, bei den über 80-Jährigen haben zwei Drittel keinen Zugang zum Netz. Für Menschen, die sich nicht oder nicht mehr mit Computern beschäftigen wollen oder im Umgang einfach unsicher sind, darf es keine Ausgrenzung geben. Das Anträge bei Behörden oft nur noch online gestellt werden können oder analoge Dienstleistungen nur noch gegen höhere Gebühren möglich sind, beobachte ich mit großer Sorge.
Dafür müssen digitale Abläufe nicht notwendigerweise parallel auch analog angeboten werden. Es genügt, wenn eine dafür zuständige Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter im Stadtbüro von Mensch zu Mensch persönliche Hilfestellung bietet.